Ängste überwinden, Horizont erweitern
In den letzten Jahren beobachten wir bei vielen Kindern und Jugendlichen eine Zunahme schädlicher Rückzugstendenzen. Verbreitet ist das sogenannte 'Cocooning', also die Flucht in den Kreis der primären Bezugspersonen mit der Folge einer Verödung der über den safe space der Familie hinausreichenden Sozialkontakte. Und in extremen Fällen kann es darüber hinaus zu einem regressiven Rückzug in das eigene Innere kommen, bei dem sogar die Beziehung zu den engsten Verwandten und Freund*innen auf ein Minimum reduziert wird.
Auch und gerade in der Schule macht sich diese Rückzugstendenz bemerkbar. Wer sich einigelt und innerlich ganz in seine Privatsphäre verkriecht, zeigt typischerweise kaum noch Interesse an irgendwelchen Unterrichtsthemen, wirkt apathisch und geistesabwesend, hat Konzentrationsstörungen oder gibt sich ständig genervt und gelangweilt. Verbreitet sich dieser Trend in einer Klasse, verläuft der Unterricht immer schleppender und stockender. Als Lehrkraft sitzt man vor einer Mauer des Schweigens. Freiwillig beteiligt sich kaum noch jemand am Unterrichtsgespräch, immer wieder herrscht bleiernes Schweigen, oder alle schwätzen und wenden sich demonstrativ von der Lehrkraft ab.
Gewiss spielt bei dieser Problematik auch das Elternhaus eine wichtige Rolle, aber die Schule als der wichtigste Begegnungsraum für Kinder und Jugendliche hat großen Einfluss auf die Entwicklung ihrer Sozial- und Kommunikationskompetenzen. Neben der expliziten Thematisierung der relevanten Problemfelder ist es auch und gerade die Unterrichtsmethodik, die mithilfe zentraler Elemente des kooperativen und sozialen Lernens wesentlich zu einer Ausweitung des Aktions- und Bewusstseinshorizontes beitragen kann. Lehrende aller Schulfächer können der aktuellen Tendenz zum inneren Rückzug wirkungsvoll begegnen.